Ein Monat in Europa
Was verbindet uns Europäer:innen? Wir stellen uns Europa als Kulturraum und gedachte Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Werten, Interessen und Zielen im Leben vor. Die Filme in diesem Monat beleuchten diese Idee aus verschiedenen Perspektiven.
In Hannes Stöhrs «One Day in Europe» kämpfen Tourist:innen in vier Städten mit Sprachblockaden. Gleichzeitig findet das Champions League-Finale statt. So stellen die Protagonist:innen fest, dass es schwierig ist, einen Diebstahl anzuzeigen, wenn der ganze Kontinent im Fussballfieber versinkt…
Nikolaus Geyrhalters «Abendland» wirft einen kritischen Blick auf die Konsumkultur des Westens. Ist Europa ein Wohlstandsparadies, das wir gegebenenfalls auch gegen Migrant:innen aus ärmeren Weltregionen verteidigen müssen? Oder ist das titelgebende Abendland längst zur dekadenten Dystopie verkommen, in der wir nichts anderes mehr tun, als dem Überfluss zu frönen?
In «Jugofilm» setzt sich Goran Rebic mit den verheerenden Folgen der Balkankriege auf die jugoslawische Diasporagemeinschaft in Österreich auseinander. Wenn Angehörige einer Nation sich nicht mehr als Gleiche betrachten können, wie soll man es dann von Angehörigen eines so gedachten europäischen Kulturraums erwarten? Krieg zerstört somit die Idee einer gemeinsamen, geteilten Identität.
In «Les Sauteurs» geht es um die Grenzen Europas, aber auch um den Blick von Menschen auf Europa (beziehungsweise: auf seine schwer befestigten Grenzen), welche nicht hier aufgewachsen sind. Welche Perspektive hat ein malischer Flüchtling auf Europa, welche Wünsche und Verheissungen verbindet er mit diesem Ort? Und: unterscheiden sich seine Ziele so stark von jenen der Menschen, die in Europa aufgewachsen sind?
Programmation: Lucas Forberger
So 05. November 2023 • 19:30 Uhr
One Day in Europe
In vier europäischen Städten versuchen Tourist:innen entweder, einen Diebstahl anzuzeigen, oder Versicherungsbetrug zu begehen. Zu ihrem (Un-)Glück sind die diensthabenden Beamt:innen allerdings nicht sonderlich aufmerksam oder engagiert, da sie vom Champions League-Endspiel in den Bann gezogen werden. Für einige der Tourist:innen kommt es dann ganz gelegen, dass sich Ortsansässige dazu bereit erklären, ihnen zu helfen. Für andere wird die Situation dadurch nur noch komplizierter…
95 Min, ov/de, digital
Regie: Hannes Stöhr
So 12. November 2023 • 19:30 Uhr
Abendland
Was ist die geteilte Identität Europas, und wo liegen ihre Grenzen? «Abendland» untersucht diese Frage anhand des Lebensstils, der uns in Europa zueigen ist. Gearbeitet wird immer, auch in der Nacht, und die Kultur, welche wir leben, steht immer in einem engen Zusammenhang mit Konsum. Doch den Überfluss der westlichen Wohlstandsgesellschaft kann es nur geben, wenn man nicht allen Menschen Teilhabe an diesem Wohlstand gewährt. «Abendland» dokumentiert den europäischen Way of Life in nüchternen, unkommentierten Bildern, ohne jedoch seinen kritischen Blick auf die hiesigen Verhältnisse zu verhehlen.
90 Min, de, digital
Regie: Nikolaus Geyrhalter
So 12. November 2023 • 19:30 Uhr
Kurzfilm: Ala Kirichenko
Rechercheprojekt in Chisinau, Republik Moldau, 2016 – heute
Céline Brunko in Zusammenarbeit mit Moritz Holenstein (Architekt)
Video «Ala Kirichenko» HD-Video 6.17min, Farbe; Sounddesign: Janick Zumofen
Céline Brunko und Moritz Holenstein analysierten den historisch aufgeladenen Ort Chisinãu mit Fotografie, Film-, Text- und Archivmaterial und befragten die Architektin Ala Kirichenko, die fast ihr ganzes Leben in der von Spannungen geprägten Hauptstadt der Republik Moldau verbrachte, über ihre Arbeit.
Ala Kirichenko, die heute über 80-jährige Architektin, fragt uns überrascht: «Wieso Moldawien? Wieso seid ihr an Moldawien interessiert? Wieso soll irgendwer an Moldawien interessiert sein? Ihr hättet in der Sowjetzeit kommen sollen! Damals war Moldawien ein schönes Land.» […] Nach ihrem Studium in Moskau wurde die ursprünglich aus der Region der heutigen Ukraine stammenden junge Architektin nach Chisinau gesandt. In der Hauptstadt der heutigen Republik Moldau entstand eine Art Musterstadt nach den Idealen der Sowjetunion, welche Entwicklung Ala Kirichenko massgeblich mitprägen konnte.
Durch die historisch geprägte Spannung zwischen der lokalen rumänisch orientierten Kultur und der Russischen, ist das Land nach wie vor gespalten und in einer fortwährenden Identitätskrise. Von beiden Seiten wird die Krise instrumentalisiert. Diese Ambivalenz der politischen Ausrichtung zeichnet sich auch in der gebauten Umwelt von Chisinau ab. Heute lebt und arbeitet Ala immer noch als Architektin, jedoch nun in einem kleinen privaten Büro, in Chisinau.
Photo Credit: Céline Brunko, State Circus Chişinău, MD, 2017
6 Min, Original, digital
Regie: Céline Brunko
So 19. November 2023 • 19:30 Uhr
Jugofilm
Der Balkankrieg erschüttert das Leben einer jugoslawischen Einwandererfamilie in Wien. Sascha, der in Serbien gegen seinen Willen in die Jugoslawische Volksarmee eingezogen wurde, kehrt mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Krieg zurück. Zuhause kämpft er damit, sich wieder im Alltag zurechtzufinden, während die jugoslawische Diasporagemeinschaft beginnt, entlang der Frontlinien des Krieges zu zerfallen. «Jugofilm» zeichnet nach, wie in Zeiten der Krise und des Krieges Identität immer wieder stärker an die Idee einer ethnisch abgegrenzten Nation geknüpft wird. Die Idee einer von allen geteilten menschlichen Identität tritt dabei in den Hintergrund.
88 Min, ov/de, digital
Regie: Goran Rebic
So 26. November 2023 • 19:30 Uhr
Les Sauteurs
Abou Bakar Sidibé kommt aus Mali und möchte nach Europa. Oberhalb der spanischen Enklave Melilla blickt er auf den ersten, schwer befestigten Vorposten des Kontinents. Von den deutschen Filmemachern Moritz Siebert und Estephan Wagner mit einer Kamera ausgestattet, dokumentiert er das Leben und die Menschen, welche sich in einem provisorischen Lager vor den Toren Europas durchschlagen. Gemeinsam bereiten sie sich darauf vor, den Grenzzaun nach Spanien zu überspringen. Doch was verbinden sie mit Europa, und wieso nehmen sie solch immense Gefahren auf sich, um dorthin zu gelangen?
80 Min, ov/de, digital
Regie: Abou Bakar Sidibé/Moritz Siebert/Estephan Wagner