Promising Women
Im Nebel des Novembers und der immer noch sehr männlich dominierten Branche legen wir den Fokus auf die starken und vielversprechenden Filmfrauen unserer Zeit. Wir haben deshalb Titel ausgewählt, in denen sowohl die Regie, wie auch das Drehbuch von Frauen (meist ein- und derselben) verantwortet ist und die Hauptrolle ebenfalls weiblich ist.
Einige von ihnen haben in den letzten Jahren vor allem die US-amerikanische Independent-Szene revolutioniert, so dass sich langsam aber stetig etwas tut in Hollywoodland. Das ist nicht erst so, seit die chinesischstämmige Chloé Zhao als erst zweite Frau überhaupt 2021 mit dem Regieoscar für «Nomadland» nach Hause spazierte. Schon zuvor begeisterte Zhao mit ihrer besonderen Mischung aus Fiktion sowie realen Figuren als Laiendarstellern, mit der sie ihren Geschichten eine ungemeine Authentizität verleiht.
Deshalb wurde ihr aussergewöhnliches Roadmovie mit Frances McDormand in der Hauptrolle im selben Jahr zudem als Bester Film prämiert. Knapp verpasst hatte dieselben Auszeichnungen drei Jahre zuvor die Schauspielerin Greta Gerwig mit «Lady Bird» – ihrem Regie-Erstling. Die Königin des «Mumblecore» (einem Subgenre des Independent-Films mit noch mehr Improvisation und noch kleineren Budgets) ist aber nicht mehr allzu weit von ihrem ersten Goldmännchen entfernt.
Ebenfalls schon in den Händen halten durfte diesen die Britin Emerald Fennell – auch 2021 an der weiblichsten Oscarverleihung, die es jemals gab. Sie bekam ihn für das beste Originaldrehbuch zu ihrem Debüt «Promising Young Woman». Einer genauso verspielten wie gnadenlosen Rape&Revenge-Satire, die #MeToo in eine anderes Licht rückt und eine Gesellschaft anprangert, die ihre Täter schützt und die Opfer sich selbst überlässt.
Um auch den Blick zu weiten und von den USA und England nach Osteuropa zu schauen, haben wir mit «God Exists, Her Name is Petrunya» zudem eine mazedonische Satire im Programm, die ebenfalls mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Hauptfigur wird von Zorica Nusheva mit grossartiger Wucht gespielt. Ihre Präsenz im Bild und ihre stoische Art des Widerspruchs gegen die Männerwelt geben Einblick in die mazedonische Gesellschaft. Die Regisseurin inszeniert das Ganze an der Grenze zwischen Empathie und Ironie.
Special am 20. November 2022:
Lesung – Von 17.30 Uhr bis 18.30 Uhr liest die Schreibgruppe Winterthur Texte zum Thema «Starke Frauen» – mit Filmbezug und ohne.
Programmation: Sarah Stutte & Vera Zeller
So 06. November 2022 • 19:30 Uhr
Lady Bird
Greta Gerwig bringt mit ihrem originellen Blick eine ungewöhnlich intensive Mutter-Tochter-Beziehung auf die Leinwand. Das Leben des Teenager Christine «Lady Bird» McPherson erzählt auf berührende und authentische Weise, was es heisst zwischen Highschool-Routine, Familienkonflikten und ersten enttäuschenden Erfahrungen mit Jungs erwachsen zu werden. Lady Bird träumt davon, ihrer Heimatstadt zu entfliehen. In Wirklichkeit rebelliert sie mit Leidenschaft gegen die Enge in ihrem Elternhaus. Doch allzu leicht macht ihre Mutter dem eigenwillig-aufgeweckten Teenager die Abnabelung natürlich nicht. Saoirse Ronan glänzt in ihrer Rolle, unter anderem an der Seite von Timothée Chalamet. Beide stehen zwei Jahre später nochmals gemeinsam in Gerwigs «Little Woman» vor der Kamera.
94 Min, en/de, digital
Regie: Greta Gerwig
So 13. November 2022 • 19:30 Uhr
God Exists, Her Name is Petrunya
Nord-Mazedonien bewegt sich zwischen der postindustriellen Arbeitswelt und der traditionellen Welt der patriarchalen Kirche. Von beiden Welten sieht sich Petrunya ausgeschlossen. Sie hat einen Universitätsabschluss als Historikerin, aber keine feste Anstellung. Auf Drängen ihrer Mutter bewirbt sie sich in einer Nähfabrik, doch auch dort will man sie nicht. Auf dem Rückweg vom Bewerbungsgespräch platzt Petrunya in eine orthodoxe Prozession am nahgelegenen Fluss. Zu diesem Anlass dürfen die Männer – und nur die Männer! – ein ins Wasser geworfenes Kreuz an die Oberfläche befördern. Petrunya wirft sich spontan in die Fluten, angelt sich das begehrte christliche Symbol und tritt damit eine Lawine der Empörung in Gang. Die religionskritische Sozialsatire legt bissig und erfrischend die herrschaftlichen Spielregeln von Kirche, Polizei und Medienzirkus offen.
100 Min, mk/de, digital
Regie: Teona Strugar Mitevska
So 20. November 2022 • 19:30 Uhr
Nomadland
Die 60-jährige Fern hat nicht nur ihren Mann verloren, sondern als Folge der Finanzkrise 2008 auch ihre Beschäftigung in einer Mine im ländlichen Nevada. Die ehemalige Arbeiterstadt ist inzwischen ausgestorben, weshalb auch Fern dem konventionellen Leben den Rücken kehrt. Sie setzt sich in ihren alten Van, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und findet in der Weite des Südwestens neue Freunde und ihre Freiheit. «Nomadland» ist nichts weniger als ein Erlebnis, das von der grossen Leinwand in Wellen direkt in unser Leben schwappt und dieses noch lange in Bewegung hält. Wir reisen in wunderschön fotografierten Bildern mit in ein uns weitgehend unbekanntes Amerika. Hier haben Verlierer der Gesellschaft gerade in dieser ihnen aufgezwungenen Unabhängigkeit ihre Stärke gefunden.
108 Min, en/de, digital
Regie: Chloé Zhao
So 27. November 2022 • 19:30 Uhr
Promising Young Woman
Cassie (grossartig: Carey Mulligan) hat nach dem Tod ihrer besten Freundin Nina ihr Studium abgebrochen und verbringt ihre Abende in Clubs. Dort gibt sie vor, sturzbetrunken zu sein, um sich von Männern mit nach Hause nehmen zu lassen. Alsbald wird die erhoffte schnelle Nummer jedoch zur Läuterung für die scheinbar netten Kerle, die Cassie unter Androhung von Gewalt dazu drängt, nie mehr wehrlose Frauen auszunutzen. Was sie in ihrer Mission antreibt, ist pure Rache. Vor allem an den Vergewaltigern von Nina, die an derselben Uni waren und nie dafür belangt wurden. Der überaus clevere Film spielt unterhaltsam und ernst zugleich mit den zahlreichen Arten weiblicher Diffamierung. Er bezieht sich sowohl auf den «Stanford»-Fall als auch auf Weinstein, auf die sexistische Popkultur der 2000er-Jahre und kritisiert von den Medien bis zur Politik alle, die beim Thema Sexismus so lange weggeschaut haben.
114 Min, en/de, digital
Regie: Emerald Fennell