Programm

Das Leben ist nicht schwarz-weiss

Bekannterweise ist das Leben nicht schwarz-weiss. Aber manchmal bereitet es uns Mühe, das zu verstehen. Aus diesem Grund sehen wir im Kino immer wieder gerne, wie die dunkle Seite der Macht zugrunde geht und die wahre Liebe  am Ende siegt.

Aber Vorsicht vor diesem verführerischen binären Denken! Nehmt euch ein Beispiel an diesen schwarz-weiss-Filmen, die uns daran erinnern, wie gefährlich das undifferenzierte Denken sein kann, und wie wahnsinnig komplex und vielfältig wir sind und bleiben.

Bei «Flucht in Ketten» geht es schlicht um die Hautfarbe. Während «Pleasantville» das Klischee der schönen alten Zeiten dekonstruiert, «Das Weisse Band» zeigt auf erschütternde Weise,  wie Brutalität entstehen kann, und «Cléo de 5 à 7» thematisiert das ultimative Dualsystem: Leben und Tod.

Programmation: Michael Simpson (swissmedeadly.com)

So 04. September 2022 • 19:30 Uhr

Flucht in Ketten ("The Defiant Ones")

Dem weissen Häftling John (Tony Curtis) und seinem schwarzen Mitgefangenen Noah (Sidney Poitier) gelingt bei einem Unfall ihres Gefangenentransports die Flucht. Da ihre Handgelenke mit einer Kette aneinandergefesselt sind, müssen sie zwingend ihre Vorurteile in den Griff bekommen. Das abenteuerliche Drama thematisiert anhand prickelnder Dialoge und schön aufgebauter Suspense Rasse, Männlichkeit und systemische Ungerechtigkeit.

Der Anfang 2022 gestorbene Poitier brilliert in einem seiner besten Filme. Er und Curtis wurden beide für den Oscar als bester Darsteller nominiert; schlussendlich gewann der Film aber in den Kategorien Bestes Drehbuch und Beste Cinematographie (Schwarz-Weiss).

USA 1958
96 Min, ov/de, digital
Regie: Stanley Kramer
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So 11. September 2022 • 19:30 Uhr

Pleasantville

Einer der unterschätzten Kultfilme der 1990er ist wieder einmal in glorreichem 35mm zu sehen! Der nerdige David und seine rebellische Schwester Jennifer sind typische Gen-X-Teenager, die plötzlich in Pleasantville  landen, eine schwarz-weissen Sitcom aus den 1950ern. Hier regnet es nicht, Sex ist unbekannt und die Feuerwehr kennt kein Feuer; sie rückt nur raus jemand seine Katze sucht.

Dank seiner genialen Verbindung von Form und Inhalt ist der Film lang in Erinnerung der FilmkritikerInnen und ZuschauerInnen geblieben. Während die 1990er-Szenen in gewöhnlicher MTV-Farbe zu sehen sind, müssen David und Jennifer in Pleasantville damit klar kommen, dass das Leben hier wortwörtlich schwarz-weiss ist. Aber je mehr Leidenschaft die Teenager in diese Welt mitbringen, desto unerwartet farbiger wird sie, für die Pleasantville-BewohnerInnen, aber auch für uns.

USA 1998
120 Min, ov/df, 35mm
Regie: Gary Ross
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So 18. September 2022 • 19:30 Uhr

Das weisse Band

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschüttert eine Reihe mysteriöser Vorfälle das wirtschaftlich gebeutelte Dorf Eichwald. Was hat das mit dem Pastor und seinen weisser Bänder tragenden Kindern zu tun? Ein junger Dorflehrer, der die Geschichte rückblickend erzählt, erfährt von Misshandlung, Brandstiftung und Suizid.

Regisseur Haneke gewann in Cannes die Goldene Palme für seine düstere «deutsche Kindergeschichte», die oft als Allegorie für die Wurzeln des Faschismus verstanden wird. Haneke selber aber betont, dass «überall, wo es Unterdrückung, Demütigung, Unglück und Leid gibt, der Boden bereitet wird für jede Art von Ideologie… Es geht um ein gesellschaftliches Klima, das den Radikalismus ermöglicht.»

DE/AT/FR/IT 2009
144 Min, ov, digital
Regie: Michael Haneke
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So 25. September 2022 • 19:30 Uhr

Cleo – Mittwoch zwischen 7 und 9

Eine junge Chansonsängerin glaubt, dass sie an Krebs erkrankt ist, wartet aber noch auf eine Diagnose ihres Arztes. Im allerschönsten Film der französischen Nouvelle Vague entdecken wir Cléos Paris in Echtzeit, während sie versucht mit der Sterblichkeit klar zu kommen.

Wie die Lieder von Kate Bush werden die einzigartigen Filme von Agnès Varda immer wieder von einem jungen Publikum  neu entdeckt. In die teilweise überintellektualisierte Nouvelle Vague von Godard und Truffaut bringt Varda eine charmante, spielerische Vision ein, in dem jedes Bild Kunst sein kann, ohne das Publikum ständig daran erinnern zu müssen. Zu Recht war Varda 2019 in einer BBC-Umfrage von 38 FilmkritikerInnen die populärste Regisseurin, mit Cléo, ihrem frühen Meisterwerk, als zweitbester Film von einer Regisseurin überhaupt.

FR 1962
90 Min, ov/de, digital
Regie: Agnès Varda
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