Der unbekannte Miyazaki
Hayao Miyazaki, der (international) bekannteste japanische Animations-Regisseur der letzten 50 Jahre, hat sich zwar schon mehrmals selbst pensioniert, aber wir glauben ihm einfach mal, dass er in diesem Jahr seinen letzten Film in die hiesigen Kinos bringt. In Japan passierte dies letzten Juli, und an westlichen Filmfesitivals wie Toronto und San Sebastian feiert er diesen September Premiere. Lange kann’s also nicht mehr dauern.
Zu diesem monumentalen Ereignis greifen wir tief in die Ghibli-Kiste und zeigen eine kleine Retrospektive unserer Lieblingsfilme des 82-jährigen Altmeisters, zum neu und wieder entdecken.
Geboren 1941 in Tokio in eine Familie von Flugzeugbauern (sein Vater und Onkel führten zusammen die Firma Miyazaki Airplanes) zieht sich der Traum vom Fliegen durch sein gesamtes Werk. Ob in richtigen oder selbstgebastelten Flugzeugen, Betten, auf Besenstielen oder einfach durch Magie: Keiner hat je Figuren im Flug so animiert wie er, und seine Liebe für die Luftfahrt ist klar ersichtlich.
1982, drei Jahre nach seinem Spielfilmdebüt für das Animationsfilmstudio Toei und nachdem sein Bekanntheitsgrad durch sein «Nausicaä»-Manga weiter gestiegen war, machte er sich mit Freund und Co-Regisseur Isao Takahat selbstständig und gründete Studio Ghibli. Dies ermöglichte es ihm dann auch, seinen eigenen aufwendigen Prozess fürs Filmemachen zu entwickeln: Er arbeitet grösstenteils ohne festes Drehbuch (auch wenn öfters ein Roman als Vorlage dient), zeichnet fortlaufend neue Storyboards, die dann zu einzelnen Szenen werden, und destilliert den Film so quasi durch sein eigenes Hirn, während der Rest des Teams schon daran arbeitet.
Dass dies deutlich mehr Zeit und Geld kostet, macht Sinn, aber Miyazaki setzte sich ebenfalls immer gegen die totale Kommerzialisierung seiner Filme ein: Er begrenzte, auch nachdem seine Filme im Westen Anerkennung fanden, das Merchandise-Angebot des Ghibli Katalogs auf einen Bruchteil der Disney-Norm, und wehrte sich bis 2020 dagegen, dass Ghibli-Filme auf Streaming- Portalen im Angebot standen.
Die Figuren im emotionalen Zwischenstadium, der Fokus auf traditionelle Animation von Hand, der Konflikt zwischen Mensch und Natur, sowie die Verbindung von europäischen Lokalitäten mit japanischen Mythen und Erzähltechniken entwickelten sich über die Jahre ebenfalls zu seinen Markenzeichen und trugen dazu bei, dass seinen Filme bis heute international bei Jung und Alt Anklang finden.
Programmation: Urs
So 03. September 2023 • 19:30 Uhr
Das Schloss im Himmel
— ACHTUNG PROGRAMMÄNDERUNG: „LUPIN III – DAS SCHLOSS DES CAGLIOSTRO“ KANN WEGEN PROBLEMEN BEIM VERLEIHER LEIDER NICHT GEZEIGT WERDEN —
Pazus Traum ist auf den Spuren seines Vaters die sagenumwobene fliegende Stadt Laputa zu finden. Als ein Mädchen vom Himmel fällt erfährt er dass er nicht der einzige ist der die Stadt sucht. Gemeinsam müssen sie sich Piraten, dem Militär und geheimnisvollen Agenten stellen.
Miyazaki’s erster unter dem Ghibli Banner produzierter Film wurde unter anderem durch eine Studienreise, bei der er in Wales den Streik der Minenarbeiter unter Thatcher miterlebte, inspiriert. Daneben fliesst wie so oft auch die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technologie ein, die sich nach diesem Film und Nausicaä zu seinem stetigen Thema entwickelten. Dazu gibt es eine gute Portion Luftpiraten, grandiose Actionsequenzen, und eine generelle Ästhetik, die den Film zum Kultklassiker in der Steampunk Szene machten. Miyazaki startete mit dem Wunsch, einen mitreissenden Abenteuerfilm für Jung und Alt zu produzieren, was ihm voll und ganz gelang.
Der enorme Detailreichtum in der Kombination aus Hand- und Celluloid-Zeichnungen spiegelt Miyazaki und Takahata’s Credo, für ihr neues Studio, keine Kompromisse bei der Animations-Qualität einzugehen.
124 Min, jp/de, digital
Regie: Hayayo Miyazaki
So 10. September 2023 • 19:30 Uhr
Kiki’s kleiner Lieferservice
Die 13-jährige Hexe Kiki macht sich für ihr traditionelles Selbstständigkeitsjahr auf den Weg in die grosse Stadt und eröffnet einen Besenkurierdienst.
Für diese Verfilmung des gleichnamigen japanischen Fantasy-Romans tourten Miyazaki und sein Team durch ganz Europa, und siedelten den Film schliesslich in einer fiktiven Stadt an, die den schwedischen Hafen Visby mit diversen anderen Einflüssen von Irland bis Italien kombiniert. So erinnert der Film dann auch stark an zeitlose europäische Kinderbücher wie Pippi Langstrumpf oder Heidi, die Miyazaki schon 15 Jahre früher fürs Fernsehen porträtiert hatte.
Miyazaki widmete den Film allen jungen AnimatorInnen, die über die Jahre vom Land nach Tokio zogen, um sich für ihn bei Ghibli die Hände wund zu zeichnen. «Ich fühle mich manchmal wie ein Monster, das junge Menschen zu sich lockt, um ihnen die Lebenskraft aus den Fingern zu saugen», meinte er in einem Interview zum Film. Der Film mixt der traditionellen Geschichte übers Erwachsenwerden dann auch Themen wie künstlerische Expression bei und thematisiert, wie schwierig es ist, an sich selbst zu glauben, seinen eigenen Stil zu entwickeln, und dabei nicht vom Besen zu stürzen.
103 Min, jp/de, digital
Regie: Hayao Miyazaki
So 17. September 2023 • 19:30 Uhr
Das wandelnde Schloss
Eine junge Frau im Körper einer Grossmutter, ein Zauberer, ein Feuerdämon, und eine Vogelscheuche versuchen gegenseitig ihre Flüche aufzuheben, während um sie herum ein Krieg zwischen zwei Industriestaaten ausbricht. Jeder, der die Magie beherrscht und sie nicht für den Krieg einsetzen will, wird als Verräter verurteilt. Das herrlich animierte wandelnde Steampunk-Schloss rattert und wackelt munter durch die Landschaft, kann unsere ProtagonistInnen aber nicht weit genug vom Konflikt wegbringen.
Miyazaki’s Pazifismus zieht sich zwar durch sein ganzes Lebenswerk, doch hier steht er für einmal mehr im Vordergrund als sonst. Jahre später gab er zu verstehen, dass er 2003 seinen Oscar für «Spirited Away» aus Protest gegen den gerade beginnenden Irak-Krieg nicht abholen wollte. Auch wenn der Film nicht als direkte Antwort darauf verstanden werden kann.
119 Min, jp/de, digital
Regie: Hayao Miyazaki
So 24. September 2023 • 19:30 Uhr
Wie der Wind sich hebt
Miyazaki mischt visuell spektakulär die Biografie des Flugzeugingenieurs Jiro Horikoshi, der im Japan der 20er- und 30er-Jahre um seine Integrität kämpft, mit Elementen seines eigenen Lebens.
Seiner Kurzsichtigkeit wegen kommt für Jiro eine Karriere als Pilot nicht in Frage. Trotzdem bleibt er besessen von Flugzeugen. In seinen von lebenden Bomben und monströsen Zeppelinen heimgesuchten Träumen, untermalt von menschlichen Soundeffekten die sich in Erdbeben und Maschinengeräusche einschleichen, zeichnet sich bereits früh ab, dass er ohne die Rüstungsindustrie keine schönen Flugzeuge bauen wird. Doch ähnlich wie Nolan’s «Oppenheimer» ist auch Jiro machtlos gegen seinen kreativen Trieb.
Miyazaki bringt seinem Protagonisten zwar Sympathie entgegen, erteilt ihm aber keine Absolution.
127 Min, jp/de, digital
Regie: Hayao Miyazaki